2017

Heidelberger Theatertage 2017

20. Heidelberger Theaterpreis

Die Preisträger

Unser Publikum hat sich entschieden: Unser "Puck" findet ein neues Zuhause in Stuttgart für ein Jahr.

Publikumspreis

Ich werde nicht hassen (I shall not hate)
von Izzeldin Abuelaish in einer Monologfassung von S. Armbruster und E. Konarek
Theaterhaus Stuttgart

„Am 16. Januar 2009 um 16:45 Uhr wurden israelische Panzergranaten in das Schlafzimmer meiner Töchter gefeuert. Bessan, Aya und Mayar waren sofort tot, mit ihnen ihre Cousine Noor. Weil das israelische Militär Journalisten den Zugang nach Gaza verboten hatte, gab ich einem israelischen Fernsehreporter jeden Tag ein Telefoninterview. Minuten nach dem Angriff rief ich ihn beim Sender an; er übertrug unser Telefonat in die Sendung. Die Nachricht ging blitzschnell um die Welt."
Dies ist die Geschichte des palästinensischen Arztes Dr. med. Abuelaish. Er erzählt vom Alltag in Gaza, vom Warten an den israelischen Checkpoints, vom Familienleben zwischen Hoffnung und Verzweiflung und vom tödlichen Anschlag. Er hätte allen Grund Israel zu hassen, stattdessen kämpft er weiter für Verständigung und Versöhnung mit Israel: „Hass macht blind und führt zu irrationalem Denken und Verhalten. Frieden ist Menschlichkeit. Frieden bedeutet Respekt. Frieden ist ein offener Dialog. Heute notwendiger denn je.“

„Ich werde nicht hassen“ ist eine puristische und gerade deshalb so starke Inszenierung. Das Stück konzentriert sich ganz auf die bewegende Geschichte des Arztes, getragen allein von der Kraft eines einzelnen Schauspielers, Mohammad-Ali Behboudi. (…) Das Publikum war begeistert und bewegt.“
Jutta Louise Oechler für Kulturzeit, 21.10.2014

Spiel: Mohammad-Ali Behboudi
Regie: Ernst Konarek
Dramaturgie: Silvia Armbruster
Kostüm: Gudrun Schretzmeier
Regieassistenz: Brigitte Luik, Sina Fey
Video: Peter Schmidt


Monica-Bleibtreu-Preis Kategorie „Bestes zeitgenössisches Drama“, 5. Hamburger Privattheatertage 2015.
2010, 2011 und 2013 war Izzeldin Abuelaish für den Friedensnobelpreis nominiert.

Aufführungsrechte: LITAG Verlag GmbH, München
Gefördert durch den Innovationsfonds des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

Unsere Jury hat sich für folgende Produktionen entschieden:

1. Preis der Jury

festgefeiert
Inspiriert von Saša Stanišićs Roman "Wie der Soldat das Grammofon repariert"
Cargo Theater, Freiburg

Es gibt: nichts was es nicht gibt, es gibt keine Reihenfolge, es gibt ständig jemanden der sagt er könne nicht mehr, er bekomme unmöglich noch einen Bissen hinunter, es gibt abwehrend fuchtelnde Hände, es gibt keine leeren Teller, es gibt ein Gebrüll und es gibt plötzlich keine Musik mehr, es gibt eine Stille - doch es fällt kein Schuss.
Krieg fällt nicht einfach vom Himmel. Es beginnt nicht mit Panzern, mit Soldaten und Blut. Wir beginnen mit einem Fest!
Inspiriert von Sasa Stanisics Roman "Wie der Soldat das Grammofon repariert", untersuchen drei Künstlerinnen des Freiburger Cargo-Theaters in ihrer neuen Produktion "festgefeiert" unter anderem die Fragen, in welchen Gestalten sich Kriege und Konflikte ankündigen und wie es möglich sein kann, dass inmitten von Trümmern weiter Feste gefeiert werden.

"...blitzschnell wechseln die Erzählebenen: Eben noch berichtet ein Bräutigam von den Vorbereitungen auf seinen großen Tag, da folgt die prosaische Parodie einer schwäbischen Hochzeitsplanerin auf Teneriffa; es gibt irrwitzige Anekdoten zwischen Wahrheit und Fiktion von Omas Beerdigung - und es ist die Rede von einem "der in die Waffen geht"... Wie ein Damoklesschwert schwebt über allem die anfängliche Ankündigung eines Endzeitfestes, das Leichenschmaus, Weihnachten und Silvester gleichermaßen werden soll. Da dämmert es einem langsam: Hier wird erzählt, wie der Krieg zum Fest kam.
Die kleine bosnische Stadt Visegrad aus Sasa Stanisics Roman könnte in dieser Inszenierung überall sein, gestern, heute und morgen. Ein raffiniertes Konzept mit einer Überfülle an Ideen, toller Livemusik, viel Dynamik, Präsenz und komödiantischem Talent..."
Marion Klötzer, Badische Zeitung vom 21.09.2016

Spiel: Carla Wierer, Lubi Kimpanov, Ralf Reichard
Regie: Leon Wierer


Gefördert durch: Innovationsfonds Kunst Baden-Württemberg, Kulturamt Stadt Freiburg, Landesbank Baden-Württemberg

www.cargo-theater.de

2. Preis der Jury

Tristan Isolde Desaster
von Julian Friedrichs, frei nach Joseph Bédiers Tristan und Isolde
ILIOS Théâtre, Wien

„Wir haben die Dreiecksliebesgeschichte von Tristan und den beiden Isolden in die Neuzeit übertragen und in der Welt der zartbitteren Schokolade angesiedelt“, so beschreibt Regisseurin Marie-Therez Lorenz ihre Inszenierung von „Tristan Isolde Desaster“.
Inspiriert von einer tiefenpsychologischen Analyse des Tristan-Isolde-Mythos über die romantische Liebe, die die alte Geschichte brandaktuell erscheinen lässt, wirft Lorenz mit ihrem Ensemble einen etwas anderen Blick als gewöhnlich auf das Liebespaar und seine sogenannte „wahre und große“ Liebe. Mit einem großen Augenzwinkern und viel Wortwitz.

Ungewöhnlich ist auch die Ästhetik des Stücks: eine Mischung aus Sprechtheater, Physical Theatre und Formentheater. Sechs SchauspielerInnen erschaffen mit fünf Holzbrettern eine magische Welt, die das Publikum in Sekundenschnelle von einem Ort zum anderen gleiten lässt. Sie verkörpern nicht nur mehrere Rollen, sie sind auch Manipulateure der Objekte. Es entstehen Formen, manchmal richtige Choreographien der Bretter. Ein Livemusiker/Percussionist erschafft das klangliche Universum.

Mit einfachen Mitteln wird größtmögliche Poesie erzeugt: humorvolles, erfindungsreiches Theater!

Spiel: Klemens Dellacher, Viktoria Hillisch, Santo-Pablo Krappmann, Benjamin Petermichl, Sofie Pint, Marion Steinbach
Musik: Markus Zahrl
Konzept, Regie, Dramaturgie: Marie-Therez Lorenz
Bühne, Ausstattung, Kostüm: Luisa Fillitz

Lichtdesign: Katharina Mackowiak

www.iliostheatre.com
www.facebook.com/iliostheatre

2. Preis der Jury

eins / null / vier
von ADOLESK
ADOLESK, Köln

Zelle 104: Vier junge Menschen begegnen sich unfreiwillig auf engstem Raum. Im Mikrokosmos einer Gefängniszelle entfaltet sich ein unentrinnbarer Sog aus Langeweile, Frustration und Gewalt, wie unter einem Brennglas münden räumliche und psychische Enge in eine menschliche Katastrophe.

ADOLESK fokussiert in eins | null | vier, einer Mutmaßung zum Foltermord in der JVA Siegburg von 2006, den gruppendynamischen Prozess der Inhaftierten. Immer wieder verschieben sich während dieses Martyriums die Hierarchien in der Gefängniszelle: Wer trifft die Entscheidungen, wer ist grausam genug, wer ist der Feigling, wer hat die Ideen? Aus einem harmlosen Spiel wird bitterer, unwiderruflicher Ernst.
                                     
Anfängliche Langeweile schlägt ohne Ankündigung in brutale Tötungsabsicht um. Die Zuschauer werden Beziehungsmodelle erkennen, weil jeder Mensch Mitglied mindestens einer Peergroup ist, und in jeder der möglichen Gruppen spielt der Einzelne eine ihm zugewiesene oder selbst bevorzugte Rolle. Dieses erleichtert die Identifikation mit den einzelnen Figuren und eröffnet die Möglichkeit, innere Konflikte der Figuren zu beobachten und diese dann mit eigenen Verhaltensmustern abzugleichen.

Spiel: Till Klein, Philipp Milbradt, Robert Sheldon, Nuri Yildiz
Regie: Steven Reinert + Martin Thiel (ADOLESK)


www.adolesk.de

Unsere Studierenden-Jury hat sich für folgende Produktionen entschieden:

Studi-Preis

festgefeiert
Inspiriert von Saša Stanišićs Roman "Wie der Soldat das Grammofon repariert"
Cargo Theater, Freiburg
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